So lässt sich unsere Gehirnleistung steigern

Die Botenstoffe Dopamin, Acetylcholin und Noradrenalin bestimmen mit, welcher Arbeitstyp wir sind. Neurowissenschaftlerin Friederike Fabritius darüber, wie wir unsere Gehirnleistung im Job verbessern können.VON CHRISTINE LUGMAYR

Es gibt Menschen, die in stressigen Zeiten regelrecht aufblühen und ihre Arbeiten so effizient wie sonst nie erledigen. Und dann gibt es jene, die bei Stress nervös werden und die Nerven wegschmeißen. "Um optimal zu arbeiten, ist ein Zustand der leichten Überforderung das Beste", erklärt Neurowissenschaftlerin Friederike Fabritius. Zu welchem Zeitpunkt diese Überforderung eintritt, ist von Person zu Person unterschiedlich. "Manche brauchen viel Stress und Deadlines, andere benötigen ein niedriges Stresslevel, um leistungsfähig zu sein", so Fabritius. "Jeder Mitarbeiter ist anders. Doch es gibt keinen besseren oder schlechteren. Entscheidend ist, dass die Aufgaben so verteilt sind, dass jeder das optimale individuelle Stressoptimum hat."

Im Gehirn sind mit Dopamin, Noradrenalin und Acetylcholin drei Botenstoffe dafür verantwortlich, ob jemand effizient arbeitet und dabei glücklich ist. "Es geht darum, den individuellen, magischen Cocktail in unserem Gehirn zu finden. Gelingt das, können wir bis zu fünfmal produktiver sein", sagt Fabritius. Wie der optimale Botenstoffmix aussehe, sei je zur Hälfte angeboren und durch Umweltfaktoren bestimmt.

Dopamin und Acetylcholin

Dopamin, das auch "Botenstoff des Glücks" genannt wird, wird ausgeschüttet, sobald Freude empfunden wird. "Viele denken sich, ich bekomme bezahlt, der Job muss mir keinen Spaß machen", weiß die Neurowissenschaftlerin. Doch so könnten die meisten Personen keine Höchstleistungen erbringen. Es gebe regelrechte "Dopamin-Junkies", so Fabritius, diese hätten ein sehr aktives Dopamin-System und bräuchten immer neue Herausforderungen. Für diese Menschen ist ein abwechslungsreiches Arbeitsumfeld mit möglichst wenig Routine entscheidend. Jene, deren Dopamin-System hingegen nicht so aktiv ist, sind in monotoneren Jobs besser aufgehoben und leistungsfähiger.

Allerdings heiße es häufig, ausschließlich flexible Menschen seien Leistungsträger, kritisiert Fabritius. "Oft wird dabei aber übersehen, dass nicht nur stressresistente Menschen Höchstleister sind. Wissenschaftler oder Bestsellerautoren arbeiten etwa sehr lange an einer von außen eintönig und stressfrei erscheinenden Arbeit und vollbringen dabei dennoch Höchstleistungen und sind glücklich."

Viel Stress ist für viele Menschen zu einer Art Statussymbol geworden. Doch Führungskräfte klagen häufig, vor lauter Stress nicht mehr schlafen zu können. Da helfe dann keine Meditation oder dergleichen, weiß die Neurowissenschaftlerin. Denn: "Die Neurosignatur passt in diesem Fall offenbar einfach nicht zum Arbeitsumfeld.""Bei Multitasking passieren rund 50 Prozent mehr Fehler und wir benötigen 50 Prozent länger"

Ein hoher Acetylcholin-Spiegel ist wiederum notwendig, um konzentriert arbeiten zu können. Im Schnitt würden Menschen rund 120-mal täglich auf Handy und E-Mails schauen. Fabritius ist überzeugt, dass die Leistungsfähigkeit dadurch drastisch abnehme: "Bei Multitasking passieren rund 50 Prozent mehr Fehler, und wir benötigen 50 Prozent länger für eine Aufgabe. Wir müssen unserem Gehirn die Möglichkeit geben, sich ganz zu konzentrieren, im Flow zu sein."

Am zielführendsten sei es daher, das Handy abzuschalten, wenn man konzentriert arbeiten will. Auch das E-Mail-Programm sollte in dieser Zeit deaktiviert sein.

Stress lässt das Gehirn schrumpfen

Vor allem in den vergangenen zwei Jahren kam durch die Krise noch zusätzlicher Stress und bei vielen Menschen auch Angst dazu. Das sei ganz schlecht fürs Gehirn, so Fabritius. "Chronischer Stress und Angst lassen bestimmte Teile des Gehirns schrumpfen."

Davon betroffen ist unter anderem der Hippocampus, der für das Erlernen von Neuem wichtig ist. Im Gegenzug wächst die Amygdala, jenes Areal im Gehirn, das für die Verarbeitung von negativen Emotionen und Informationen zuständig ist. Ein Teufelskreis, denn dadurch "werden wir immer sensibler für negative Informationen". Dazu komme, dass bei Angst das rationale Denken nicht mehr funktioniere. "Manche Menschen ziehen sich dann ganz zurück, andere werden passiv oder aggressiv." Unabhängig von der Reaktion sind bei all diesen Personen Leistungsfähigkeit und Kreativität stark eingeschränkt.

"Um wieder rauszukommen, ist eine Technik, sich einen Moment Zeit zu nehmen und zu überlegen, wie man sich fühlt. So wird man sich bewusst, dass man gerade Angst hat. Benennt man die Angst auch, so wird die Amygdala nach unten reguliert", rät Fabritius. Gut sei ebenfalls, über die Gefühle mit anderen zu sprechen, denn dann verlieren sie ihre Bedrohung. Und dann ist das Gehirn wieder leistungsfähig, um die Arbeit effizient zu erledigen und dabei so etwas wie Glück zu empfinden.

Der Beitrag erschien ursprünglich im News 03/2022.

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